Rollenspiele im Assessmentcenter: Entdecken Sie den Mehrwert und erfahren Sie, worauf es bei der Konzeption und Durchführung wirklich ankommt!
Wieso werden Rollenspiele durchgeführt?
Das Ziel eines Assessmentcenters ist das Beurteilen einer Person anhand ihrer Leistungen und Eigenschaften, um eine hohe «Treffsicherheit» bei der Auswahl zu erreichen und Fehlbesetzungen zu vermeiden. Ein professionell gestaltetes Assessmentcenter verfolgt dabei einen trimodalen resp. multimodalen Ansatz. Dies bedeutet, dass unterschiedliche Assessmentübungen systematisch miteinander kombiniert und die zu bewertenden Anforderungen in mehreren Übungen erfasst werden.
Die Leitlinien von Swissassessment sehen vor, dass jede Dimension oder Kompetenz in mindestens zwei Assessmentübungen erhoben wird. Dabei sollte eine Variation der Informationsquellen sichergestellt werden. Was bedeutet das? Während bei einem Persönlichkeitsfragebogen das Selbstbild der Bewerbenden erfasst wird, liefert ein Intelligenztest oder eine Postkorbübung objektive Leistungskennwerte zu den Kandidat:innen. Eine Präsentationsübung ermöglicht Verhaltensbeobachtungen und ein strukturiertes Interview kann dazu genutzt werden, vergangenes Verhalten für eine Prognose zu nutzen. Erst die Kombination der verschiedenen Informationsquellen ermöglicht eine umfassende Beurteilung einer Person und bietet auch die Möglichkeit, allfällige Diskrepanzen und Widersprüche aufzudecken.
Schuler (2014) unterscheidet beim trimodalen Ansatz folgende drei Verfahrenstypen:
- Eigenschafts- oder konstruktorientierte Verfahren (z.B. IQ-Test oder Persönlichkeitsfragebogen)
- Simulationsorientierte Verfahren (z.B. Fallstudie oder Rollenspiel)
- Biografieorientierte Verfahren (z.B. strukturiertes Interview oder Analyse CV)
Das Rollenspiel fällt in die Kategorie der simulationsorientierten Verfahren und soll prüfen, wie sich Bewerbende in einer für den Beruf relevanten kritischen Situation verhalten.
Was macht ein gutes Rollenspiel aus?
Damit dies gelingt, ist es unerlässlich, vorab eine entsprechende Anforderungsanalyse an die zu besetzende Funktion durchzuführen. Die Critical Incident Technique (kurz CIT) kann dabei ein hilfreiches Tool sein. Diese hat zum Ziel, erfolgsentscheidende berufliche Situationen für eine bestimmte Funktion zu identifizieren. Eine erfolgskritische Situation für eine Managerfunktion kann beispielsweise ein schwieriges Mitarbeitergespräch(z.B. drohender Burnout) oder eine Lohnverhandlung sein. Bei der Simulation eines schwierigen Mitarbeitergespräches lassen sich die Sensitivität (Empathie), die Gesprächsführung, die Kommunikation sowie der Führungsstil der Kandidat:innen beobachten, während eine Lohnverhandlung Verhaltensbeobachtungen zur Durchsetzungsstärke und dem Durchsetzungsgeschick erlaubt. Mit entsprechenden Anschlussfragen kann zudem die Reflexionsfähigkeit und Kritikfähigkeit der Bewerbenden erfasst werden.
Gute Rollenspiele sollen zudem eine Trennung zwischen geeigneten und ungeeigneten Kandidaten ermöglichen. Generell gilt (Jung, 2000):
- Die zugrunde liegende Situation soll für die Tätigkeit angemessen sein
- Die Simulation soll die Realität ausreichend gut abbilden
- Die Teilnehmer sollen über den Zweck des Rollenspiels informiert sein, um zielgerecht handeln zu können
- Die Teilnehmenden sollen in ihren Handlungen möglichst viel Spielraum haben
- Der Schauspieler soll angemessen und spontan reagieren können
Aus unserer Sicht ist das wichtigste Qualitätsmerkmal eine möglichst hohe Realitätsnähe. Es kann verlockend sein, den Konzeptionsaufwand gering zu halten und lediglich die Vorlage eines beliebigen Assessments auf die vorliegende Funktion anzupassen. Dies würde jedoch den möglichen Informationsgewinn schmälern und der Anforderungsanalyse nicht gerecht werden. Schliesslich steht die Beobachtung von erfolgskritischem Verhalten für die zu besetzende Funktion im Fokus. Eine falsche Rollenvoraussetzung kann unter Umständen auch zu einer Über- oder Unterforderung der Kandidat:innen führen. Durch den Austausch mit Auftraggeber:in, ehemaligen Stelleninhaber:innen oder Vorgesetzten der Stelle, lassen sich realistische und erfolgskritische Szenarien ausarbeiten. Dies erhöht überdies die Akzeptanz und Nachvollziehbarkeit bei den Teilnehmenden des Assessments.
Warum braucht es professionelle Schauspieler:innen
Es reicht nicht aus, eine mit etwas schauspielerischen Fähigkeiten ausgestattete Person, die Rolle spielen zu lassen. Es ist eine herausfordernde Leistung sich in eine Rolle hineinzudenken, die Rolle zu spielen und gleichzeitig auf die feinen Nuancen des Gegenübers reagieren zu können. Nur ausgebildete, erfahrene Schauspieler:innen haben diese Kompetenz gelernt. Zudem muss die Vergleichbarkeit gewährleistet werden.
Bei der Durchführung von Rollenspielen müssen deshalb professionelle Schauspieler:innen eingesetzt werden, die vorab über die Assessmentmethodik und den Kontext der zu besetzenden Funktion aufgeklärt werden. Eine Rollenvermischung sollte möglichst vermieden werden, indem der/die Assessor:in nicht gleichzeitig die Rolle der/des Schauspieler:in übernimmt. Bei mehreren Kandidat:innen sollte zudem immer die/der gleiche Schauspieler:in eingesetzt werden,
Was ist bei der Durchführung zu beachten?
Um die Vergleichbarkeit sicherzustellen, sollten standardisierte und schriftliche Instruktionen inklusive allfälliger Anhänge (z.B. Organigramm) zur Verfügung gestellt werden. Hierzu werden die Teilnehmenden über das Szenario, den Zweck des Rollenspiels und allenfalls über die zu bewertenden Kompetenzen aufgeklärt. Der/die Schauspieler:in erhält in der Instruktion Informationen zu der Rolle, Handlungsanweisungen für verschiedene Gesprächsszenarien sowie den Charakterzügen der gespielten Person.
Im Anschluss an das Rollenspiel wird mit strukturierten Fragen die Simulation durch die Kandidat:innen reflektiert. Dies bietet eine gute Gelegenheit, um die Reflexionsfähigkeit der Kandidat:innen zu erfassen. Mit einem direkten Feedback durch die Assessor:innen lässt sich zudem deren Kritikfähigkeit beobachten.
Wie werden Rollenspiele bewertet?
Bei interaktiven Übungen sehen die Leitlinien von Swissassessment die Anwesenheit von mind. zwei Assessor:innen (mind. 1 Senior-Level) vor. Zudem können auch Beobachter seitens des Auftraggebers (HR, Linie) dem Rollenspiel beiwohnen. Falls dies nicht möglich ist, haben sich auch Videoaufnahmen als sehr hilfreich erwiesen. Diese ermöglichen dem/der Auftraggeber:in einen direkten Einblick, helfen bei Unstimmigkeiten der Assessor:innen und erhöhen insgesamt die Transparenz des Assessments.
Bei der Bewertung von Rollenspielen gilt der wichtige Assessmentgrundsatz: «strikte Trennung von Bewertung und Beobachtung». Mögliche Bewertungen müssen als solche definiert und sachlich beschrieben werden. Zudem erfolgt die Bewertung der vorab definierten Kompetenzen auf standardisierten Beobachterbögen, die mit entsprechenden Verhaltensankern versehen sind.
Haben Sie Fragen zu Persönlichkeitstests, Assessment-Center oder Potenzialanalysen? Kontaktieren Sie uns für ein unverbindliches Beratungsgespräch via:
Eric Häusler
M.Sc. Psychologie UZH
Leiter Assessment Percoms AG
eric.haeusler@percoms.ch
+41 71 222 12 12
Quellen:
Bregas, J. (2022). Rollenspiele im Assessment Center: Aufbau, Konzeption und Durchführung für Eignungsdiagnostiker. Springer. https://doi.org/10.1007/978-3-662-65242-8
Höft, S. & Schuler, H. (2014). Personalmarketing und Personalauswahl. In H. Schuler & K. Moser (Hrsg.), Lehrbuch Organisationspsychologie.
Jung, P. (2000). Rollenspiele. In W. Sarges (Hrsg.), Managementdiagnostik (S. 591-596).Hogrefe.